Sonntag, 19. April 2015

Sich wohlfühlen in seiner Haut #effyourbeautystandards

Heute geht es bei mir in erster Linie mal nicht um ein Outfit, um Styling oder Make Up. Ich möchte die erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne von Gisela Enders für ihr Buch „Wohl in meiner Haut“ zum Anlass nehmen, meine eigenen Gedanken zu der gesamten Body-Positivity Bewegung, zu „Fat Shaming“ und #effyourbeautystandards zusammenzutragen.

Ich bin mir sehr sicher, dass ich in meinem gesamten Umfeld keine einzige Frau kenne oder in meiner Vergangenheit kennengelernt habe, die nicht meint, aufgrund der völlig unrealistischen und abstrakten Schönheitsideale, welche von den Medien vermittelt werden, irgendeinen Grund zu haben mit ihrem Äußeren unzufrieden zu sein. Viele wunderschöne, liebe, humorvolle, intelligente Frauen, die sich immer wieder, die eine mehr die andere weniger, damit quälen, dass sie nicht „perfekt“ sind. Zwar habe ich durchaus den Eindruck, dass die Selbstakzeptanz mit steigendem Lebensalter und damit mit der Lebenserfahrung anwächst, dennoch sind auch dort noch Unsicherheiten und manchmal dann auch Resignation vertreten.

Ich denke, zu einem Teil gehört die Unsicherheit in Bezug auf den eigenen Körper, das sich-vergleichen mit anderen und doch seinen eigenen Stil finden, mit zum Prozess der Selbstfindung in der Pubertät und Adoleszenz (wahrscheinlich ist auch deswegen der Hauptanteil der Beteiligten an dieser Bewegung in einer sehr homogenen Altersgruppe). Hinzu kommt das bei einer noch nicht ganz gefestigten Persönlichkeit natürlich die Einflüsse von außen und damit auch die der Medien stärker in diese eindringen und bei der persönlichen Meinungsbildung starken Einfluss nehmen.

Deswegen finde ich die gesamte Bewegung, die ja hauptsächliche der „großen Schmach“ der Medien, die des Übergrößen-Körpers, der „überschüssigen“ Rollen, Falten und Kilos entgegenwirkt, unglaublich wichtig.

So wie ich jede Art von Gegenpol, Gegendarstellung und anderer Meinung zu den Massenmedien wichtig finde. Doch anders als bei Fakten, die vielleicht von Medien schlecht recherchiert wurden, geht es hier nicht darum „nur“ etwas richtig zu stellen, sondern es geht um Diversität und ganz essentiell um Gleichberechtigung. Da wo in anderen Bereichen so viel (wenn auch längst nicht genug) erreicht wurde (gleichgeschlechtliche Beziehungen, Frauenrechte, Rassismus, etc.) stürzen sich die Medien nun seit Jahren auf eine „Randgruppe“ (die ja eigentlich keine ist) die sozusagen vordergründig selbst verantwortlich für ihre Andersartigkeit ist. Denn wer selbst schuld ist, der kann doch nicht auf Gleichberechtigung pochen, oder?

Mal davon abgesehen, dass das natürlich eine vollkommen an den Haaren herbeigezogene Rechtfertigung für Diskriminierung ist, dass jemand selbst und alleinig schuld an seinem Körpergewicht sei, lässt es in mir das Gefühl aufkeimen, dass die (mediale) Gesellschaft einen Buhmann, einen Sündenbock und einen Dorfdeppen BRAUCHT.

Ist der Mensch als soziales Wesen wirklich immer noch an dem Punkt, an dem es sich am (vermeintlichen) Leid/Schaden/nicht-perfekt-sein eines anderen Individuums seiner Spezies erhöht und erbaut? Wahrscheinlich ja. Der Mensch ist ein Tier, wie alle anderen Tiere und ganz sicherlich nicht die Krone von irgendwas.

Ich möchte aber hier nicht zu tief in eine philosophische Thematik über das vernunftbegabte Tier Homo Sapiens und Humanismus einsteigen. Aber ich finde dieses Bild der Schar Menschen, die sich um einen medialen Scheiterhaufen versammelt, während ein Herdenmitglied aufgrund dieser niederen Bedürfnisse der breiten Massen, selbst aber unschuldig, verbrannt wird, während die Menge jubelt, so unendlich traurig.

Zurück zur Thematik. Während es einige wissenschaftliche Studien gibt, die zur Definition objektiver Schönheit beitragen wollen (Symmetrie des Gesichts, bestimmte Verhältnisse in der Körperphysiognomie, die über Gesundheit und potentiellen Fortpflanzungserfolg Auskunft geben sollen), gibt es keinen objektiven Grund dafür anzunehmen, dass der Mensch ohne soziale/mediale Prägung fülligere Körper als weniger attraktiv betrachtet als schlankere. Das belegen im Gegenteil die verschiedenen „Schönheitsideale“ der vergangenen Jahrhunderte und Jahrtausende, so wie die sehr abweichenden Schönheitsideale der verschiedenen Kulturen, Stämme, Ethnien, etc. Alleine im vergangenen Jahrhundert gibt es starke Varietäten (Marilyn Monroe/Twiggy).

Die zweite Rechtfertigung für „Fat Shaming“ ist der angebliche gesundheitliche Aspekt. Wobei dieser, so behaupte ich, für die meisten die „Dicke“ verurteilen, gar nicht vordergründig wichtig ist. Wer schert sich denn heutzutage um die Gesundheit eines wildfremden?? Aber wenn jemand nicht in die Norm passt – ja, da kann man schön draufhauen. Davon abgesehen – und auch deshalb freue ich mich sehr auf das Buch von Gisela Enders – gibt es nach heutiger Erkenntnis wenig Anhaltspunkte dafür, dass „Dicke“ wirklich weniger gesund sind, als „Dünne“. Bewegungsmangel und eine ungesunde Ernährung sind nicht zwangsläufig mit Übergewicht verbunden, auch nicht in den meisten Fällen. Wenn es der Gesellschaft wirklich darum ginge, dann hätten wir aber viele Gruppen von Sündenböcken – allen voran natürlich die Raucher, aber auch die Extremsportler, die Sportmuffel, die Fast-Food-Konsumenten, alle die, die Alkohol konsumieren, die rasanten Autofahrer...usw.

An dem Punkt würde ich gerne eine Gruppe anführen, die wirklich viel Unheil anrichtet, aber nicht etwa selbstverantwortlich an ihren eigenen Körpern und Seelen. Sondern die (Eltern, Lehrer, Freunde, Bekannte und Verwandte, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, etc. pp.), die mit ihren, vielleicht gar nicht böse gemeinten, aber unbedachten Aussagen/Neckereien/Ratschlägen, junge, unsichere Menschen in die Situation bringen, sich selbst zu hassen und dafür zu verurteilen, wer sie sind – noch dazu für etwas eigentlich so nebensächliches, wie das Äußere.

Und so sollte man selbst natürlich versuchen, diesen indoktrinierten Normen nicht zu viel Raum zu bieten und ich finde es sehr erstrebenswert, jungen Menschen (nicht nur Mädchen, auch Jungen) so früh wie möglich Vielfalt und vor allem auch den differenzierten Umgang mit Medien und „gegebenen Standards“, die noch dazu heutzutage nicht nur rare Ausnahmen, sondern zumeist auch wirklich unechte, unrealistische und ungesunde Vorbilder sind, nahe zu bringen.

Jeder Schritt in diese Richtung ist wichtig, ABER wir sollten dabei aufpassen, dass wir nicht als Ersatz für das vernichtete „Feindbild“ der Dicken, eine andere Randgruppe in diese Funktion drängen, egal welche. Dass das doch passiert, davor habe ich Angst. Wer ist als nächstes dran mit „Shaming“?

Ich könnte noch soviel mehr dazu schreiben, aber für heute soll es genug sein.

Bis bald, eure Lea 



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